Bei bestimmten Blutkrebserkrankungen ist eine allogene Stammzelltransplantation – also die Übertragung von Stammzellen von einem gesunden auf einen erkrankten Menschen – die einzige Chance auf Heilung. Das Verfahren stellt allerdings eine enorme Belastung dar und ist mit Risiken verbunden: Nach einer allogenen Stammzelltransplantation ist die Immunabwehr der Patientin oder des Patienten noch für einige Zeit geschwächt, sodass eine erhöhte Infektionsgefahr besteht.
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Krankheitserreger wie Bakterien und Pilze, die für gesunde Menschen harmlos sind, können bei stammzelltransplantierten Menschen schwere Infektionen hervorrufen.1
Aus diesem Grund sind in bestimmten Lebensbereichen besondere Hygienemaßnahmen notwendig – so auch bei der Ernährung. Zum einen gilt es, eine Infektion etwa durch Keime zu vermeiden. Zum anderen kann eine gesunde und ausgewogene Ernährungsweise den Genesungsprozess positiv beeinflussen. Grundsätzlich ist die Situation einer jeden Patientin und eines jeden Patienten gesondert zu betrachten und eine Ernährungsberatung auf Basis der individuellen Voraussetzungen zu gewährleisten.2
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Wichtig!
Alle ernährungsbezogenen Maßnahmen dürfen nicht dazu führen, dass Patientinnen und Patienten den Appetit verlieren und weniger essen als nötig. Mangelernährung hat im Allgemeinen zur Folge, dass Therapien schlechter vertragen werden und häufiger Komplikationen auftreten. Dazu zählt unter anderem die chronische Graft-versus-Host-Disease (GvHD), bei der ein Angriff des Spenderimmunsystems auf Gewebe der Empfängerin oder des Empfängers erfolgt.1,3 Sollten Sie das Gefühl haben, nicht ausreichend Nahrung zu sich nehmen zu können, suchen Sie unbedingt das Gespräch mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.
Für GvHD-Betroffene ist die Symptomdokumentation unerlässlich
Dokumentieren Sie neue oder sich ändernde Symptome in den Feldern und bringen Sie die Tabelle zu Ihren Untersuchungen mit. Bei der Verwendung der Liste bewerten Sie Ihre Symptome auf einer Skala von 1 (geringstmöglicher Schweregrad) bis 10 (höchstmöglicher Schweregrad) und kreisen das emotionale Symbol ein, das Ihrem allgemeinen Wohlbefinden am ehesten entspricht. Verwenden Sie das abgebildete Beispiel als Leitfaden zum Ausfüllen dieser Tabelle.
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Ernährung unmittelbar nach der Stammzelltransplantation
In den ersten Wochen nach der Stammzelltransplantation verbleiben die Patientinnen und Patienten noch in der entsprechenden Klinik, um eine engmaschige medizinische Betreuung zu gewährleisten. In dieser Zeit erhalten sie eine leicht verdauliche und keimarme Kost, die in der Krankenhausküche individuell zubereitet wird.2
Um eine ausreichende Kalorienzufuhr zu gewährleisten, ist je nach Verträglichkeit eine zusätzliche Nahrungszufuhr mit Trinknahrung und/oder eine künstliche Ernährung über Infusionen möglich. Patientinnen und Patienten sollten nach Möglichkeit aber versuchen, regelmäßig zu essen, da so die Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts in Arbeit bleibt.2
Nahrungsmittel und Getränke, die externe Personen wie Familienangehörige oder Freundinnen und Freunde mit in die Klinik bringen, sollten mit dem Klinikpersonal abgesprochen werden.
Ernährung zu Hause nach Stammzelltransplantation
Sofern keine medizinischen Gründe dagegen sprechen, dürfen Patientinnen und Patienten einige Wochen nach der Stammzelltransplantation die Klinik verlassen. Zu Hause können sie dann die Nahrungszufuhr langsam steigern und ihren Ernährungsplan erweitern. Auf diese Weise geben die Patientinnen und Patienten dem Verdauungstrakt die Möglichkeit, sich schonend wieder an das Essen daheim zu gewöhnen. Große Nahrungsmengen auf einmal führen eher zu Übelkeit und Erbrechen, daher sollten sie lieber mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt zu sich nehmen.2
Eine spezielle Diät für stammzelltransplantierte Menschen gibt es nicht.4 Stark angebratene, stark gewürzte und saure Speisen reizen die Schleimhäute in Mund, Magen und Darm und sollten zunächst gemieden werden. Stattdessen empfiehlt es sich gerade am Anfang, auf leicht bekömmliche, fettarme Kost zu setzen.2,5
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Patientinnen und Patienten sollten nach einer Stammzelltransplantation ihren Speiseplan langsam und in enger Absprache mit ihrem Behandlungsteam erweitern. Das Transplantationszentrum bietet die Möglichkeit einer individuellen Ernährungsberatung speziell für Stammzelltransplantierte. Sprechen Sie dazu mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.
Allgemeine Hygieneregeln für Nahrungsmittel nach Stammzelltransplantation
Das Immunsystem der Patientinnen und Patienten wird auch nach der Transplantation weiterhin medikamentös unterdrückt. Deshalb sollten sie und ihr Umfeld auch nach Entlassung aus der Klinik verschiedene Hygieneregeln befolgen, um Infektionen durch Nahrungsmittel vorzubeugen:
- Speisen stets frisch zubereiten oder Tiefkühlkost frisch aufbereiten.
- Hände jedes Mal vor dem Kontakt mit Lebensmitteln gründlich mit Seife waschen.
- Nahrung meiden, die von anderen Personen bereits berührt wurde.
- Auf saubere Küchengeräte und Küche sowie sauberes Besteck und Geschirr achten. Keine Holzschneidebretter verwenden, da sich in ihnen leicht Keime sammeln.
- Schwämme, Bürsten und Tücher zum Geschirrspülen regelmäßig austauschen (mehrmals die Woche).
- Keine warm gehaltenen oder nur erwärmten Speisen und Getränke verzehren.
- Geöffnete/angebrochene Verpackungen schnellstmöglich aufbrauchen (noch am selben Tag).
- Auf das Mindesthaltbarkeitsdatum achten.
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- Bei Tiefkühlkost die Kühlkette einhalten. Andere Lebensmittel bedarfsgerecht kühlen (vor allem Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte).
- Nach Möglichkeit kleine Portionen/Portionspackungen kaufen und auf Unversehrtheit achten.
- Außer Haus ausschließlich gekochte Speisen verzehren. Essen von offenen Imbissbuden und bei Festen im Freien vermeiden.
- Frisches Obst und Gemüse gründlich waschen (auch wenn es anschließend geschält wird).
- Beim Garen auf ausreichende Temperatur und Garzeit achten. Gewürze und Kräuter mitkochen.1,2
Lebensmittel meiden, die das Infektionsrisiko erhöhen
Gewisse Lebensmittel sind von Natur aus keimbelasteter und stellen ein höheres Risiko für kürzlich stammzelltransplantierte Menschen dar. Sie sollten daher gerade in der Anfangszeit so weit wie möglich vermieden werden, um das Infektionsrisiko gering zu halten. Eine Auswahl dieser Lebensmittel finden Sie nachfolgend aufgelistet. Durch eine entsprechende Zubereitung lassen sich Keime in der Regel unschädlich machen.2,5,6
Fleisch und Fisch
Fleisch- und Fischspeisen ausreichend erhitzen und garen. Kein rohes Fleisch oder rohen Fisch essen (zum Beispiel Mett, Sushi). Tiefgekühltes Fleisch oder tiefgekühlten Fisch im Kühlschrank auftauen, Flüssigkeit auffangen und entsorgen.
Milchprodukte
Milchprodukte sollten grundsätzlich pasteurisiert sein. Rohmilchprodukte wie Rohmilchkäse (zum Beispiel Emmentaler, Parmesan, Mozzarella) meiden. In der EU ist auf der Verpackung vermerkt, ob Rohmilch enthalten ist. Kefir enthält spezielle Gärungserreger und sollte daher ebenfalls nicht konsumiert werden. Zu pasteurisierten Milchprodukten wie Butter und Joghurt sind keine Risiken bekannt.
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Eier und Eiprodukte
Eier ausreichend erhitzen und nur hart gekocht zu sich nehmen. Alle eihaltigen Speisen ausreichend garen (mindestens für 10 Minuten bei 70 °C).
Nüsse
Rohe Nüsse meiden, da sie oft pilzbelastet sind. Erhitzte, vakuumverpackte und geschälte Nüsse dürfen bedenkenlos konsumiert werden.
Salat
Salat frisch zubereiten und zuvor sorgfältig waschen. Frei zugängliche Salatbars und abgepackte Mischsalate meiden. Keimlinge oder Sprossen können pilzbelastet sein und sollten daher nicht verzehrt werden.
Langfristige Ernährung nach Stammzelltransplantation
Mit der Zeit wird die immunsuppressive Behandlung gesenkt, sodass zunehmend alle Speisen und Getränke wieder möglich sind. Wie lange die Hygienemaßnahmen zur Infektionsvermeidung eingehalten werden sollten, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Komplikationen wie die chronische GvHD verlängern unter Umständen den Zeitraum, in dem Patientinnen und Patienten den Empfehlungen nachkommen sollten.5 Regelmäßige Gespräche mit dem Behandlungsteam sollten daher immer auch den Aspekt der Ernährung thematisieren.
Je nach individueller Situation sind neu auftretende Unverträglichkeiten möglich. Nach einer allogenen Stammzelltransplantation sind viele Menschen etwa von einer Milchunverträglichkeit betroffen. Aus diesem Grund sollten Patientinnen und Patienten mit für sie neuen Lebensmitteln und Getränken in kleinen Mengen beginnen.2
Ernährung bei chronischer GvHD
Die GvHD kann sich prinzipiell auf jedes Organsystem auswirken, so auch den Verdauungstrakt. Die Folge sind unter anderem starker Durchfall, Bauchschmerzen und -krämpfe sowie Übelkeit und Erbrechen. Diese Symptome können schließlich zu einer Mangelernährung und Gewichtsverlust führen.7 Das kann den Verlauf der GvHD verschlimmern und die Anfälligkeit für Infektionen erhöhen. Darüber hinaus ist es möglich, dass die medikamentöse Behandlung der GvHD zu ungewolltem Muskelverlust beiträgt.3
Ein wichtiger Bestandteil der GvHD-Therapie ist demnach, Nährstoffe und Nahrungsergänzungen zu sich zu nehmen, die diesen Umständen möglichst entgegenwirken,.8,9 Sprechen Sie dazu gegebenenfalls mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt und nehmen Sie unbedingt Angebote zur Ernährungsberatung wahr.
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Vermeidung von
Infektionen
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GvHD-
Therapie
Eine Graft-versus-Host-Krankheit wird unterschiedliche behandelt. Erfahren Sie mehr über die Therapie je nach GvHD-Form und Schwere der Symptome.
Quellen:
- Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe: Keimarme Ernährung – mehr Schaden als Nutzen. https://www.leukaemie-hilfe.de/fileadmin/user_upload/dlh-info-blaetter/dlh_infoblatt_hygienisch_gute_Ern%C3%A4hrung_H%C3%BCbner_2022.pdf (letzter Aufruf am 01.10.2024)
- Deutsche Krebsgesellschaft: Ernährung nach allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSZT) (Knochenmarktransplantation und periphere Blutstammzelltransplantation). https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/leukaemie/ernaehrung-nach-knochenmarktransplantation.html (letzter Aufruf am 01.10.2024)
- Pereira AZ, Adami Gonçalves SE, Rodrigues M et al. Challenging and Practical Aspects of Nutrition in Chronic Graft-versus-Host Disease. 2020; 26(11): e265-e270. doi.org/10.1016/j.bbmt.2020.08.004
- Universitätsklinikum Heidelberg: Sektion Allogene Stammzelltransplantation. https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/medienzentrum/Vorlagen/downloads/Arbeitsproben/stammzellen.pdf (letzter Aufruf am 01.10.2024)
- Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe: Ratgeber für Patienten nach allogener Knochenmark- und Stammzelltransplantation. https://www.leukaemie-hilfe.de/fileadmin/user_upload/dlh-broschueren/DLH_Stiftung_Patientenratgeber_allogeneStammzelltransplantation_2019_Web.pdf (letzter Aufruf am 01.10.2024)
- Robert Koch-Institut. Anforderungen an die Infektionsprävention bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten. Bundesgesundheitsblatt. 2021; 64: 232-264
- van der Meij BS, de Graaf P, Wierdsma NJ et al. Nutritional support in patients with GVHD of the digestive tract: state of the art. Bone Marrow Tranplantation. 2013; 48: 474-482. doi:10.1038/bmt.2012.124
- Imataki O, Nakatani S, Hasegawa T et al. Nutritional support for patients suffering from intestinal graft-versus-host disease after allogeneic hematopoietic stem cell transplantation. 2006; 81(10): 747-752. doi.org/10.1002/ajh.20700
- Bassim CW, Fassil H, Dobbin M et al. Malnutrition in patients with chronic GVHD. Bone Marrow Transplantation. 2014; 49: 1300-1306. doi.org/10.1038/bmt.2014.145